Die SuS kennen den Kartoffel-Katalase-Versuch (siehe Kasten rechts) aus einer der vorherigen Stunden, z.B. aus Versuchen zur Temperaturabhängigkeit von Enzymen.
Da jeder Schüler schon einmal auf einem Stift gekaut hat, sind alle angesprochen. Die Frage, weshalb Schwermetalle schädlich sind, liegt auf der Hand, die Hypothese, dass Enzyme geschädigt werden könnten, liegt nahe.
Unterrichtszusammenhang
Zu Beginn der Einheit Enzyme erfolgte eine Wiederholung des im Sekundarbereich I erworbenen Wissens zu Enzymen (Substratspezifität, Wirkungsspezifität, Katalysatorfunktion, Schlüssel-Schloss-Prinzip). In den letzten beiden Stunden wurden die kompetitive Hemmung und die Abhängigkeit der Enzymaktivität von der Substratkonzentration thematisiert. Daneben wurde mit Katalase aus Kartoffeln (siehe Sachanalyse) die Temperaturabhängigkeit der Enzymreaktion erarbeitet. Nach Behandlung der gesellschaftlichen Relevanz des Themas Schwermetalle, wird als dritte Form der Inhibition die allosterische Hemmung eingeführt. Davon ausgehend wird die genaue Struktur der Enzyme thematisiert.
Sachanalyse
Enzyme. Bei Enzymen handelt es sich um eine Klasse von Proteinen, die als Katalysatoren fungieren , sie setzen die Aktivierungsenergie für Reaktionen herab und liegen nach der katalysierten Reaktion unverändert vor. Enzyme sind sowohl substrats- als auch wirkungsspezifisch, jedes Enzym wirkt also immer nur auf bestimmte Substrate und katalysiert nur bestimmte Reaktionen. Diese Eigenschaften erklären sich aus ihrer komplexen und jeweils einzigartigen dreidimensionalen Struktur. Bei der Reaktion bindet das Substrat an einen bestimmten Bereich des Enzyms, das aktive Zentrum, welches komplementär zum Substrat ist (Schlüssel-Schloss-Prinzip).
Hemmung. Enzyme können auf unterschiedliche Arten gehemmt werden, d.h. in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt werden. Bei der Kontrolle des Stoffwechsels spielt die allosterische Hemmung eine Rolle: Bestimmte Moleküle (Liganden) binden an einen spezifischen Bereich mitunter weit entfernt vom aktiven Zentrum des Enzyms und führen zu einer Konformationsänderung und so zu einer Aktivierung oder Hemmung des Enzyms. Eine weitere Form ist die kompetitive Hemmung: Dem Substrat ähnelnde Substanzen konkurrieren mit ihm um den Eintritt in das aktive Zentrum. Wird die Konzentration des Substrats erhöht, wird die Hemmung geringer, da für das Enzym nun eine höhere statistische Wahrscheinlichkeit besteht auf ein Substratmolekül zu treffen. Dies ist möglich, da die Bindung reversibel ist, da sich Substrat und Hemmstoff nur über schwache Wechselwirkungen an das aktive Zentrum binden. Erfolgt die Bindung dagegen kovalent, ist die Hemmung normalerweise irreversibel, das Enzym bleibt auf Dauer inaktiv. Dies ist beispielsweise bei Schwermetallen der Fall, da sie mit den Schwefelatomen der Disulfidbrücken Komplexe bilden .
Schwermetalle sind definiert als Metalle, deren spezifisches Gewicht über 4,5g/cm3 liegt. Einige sind in geringer Menge lebensnotwendig , in höherer Konzentration sind sie auf Grund der oben beschrieben Mechanismen aber toxisch und daher für Schülerversuche nur in einigen Fällen zugelassen (z.B. Kupfer- und Zinnverbindungen). Da Schwermetalle in größeren Mengen bei der Industrieproduktion anfallen und sich in vielen Fällen in der Nahrungskette anreichern, stellen sie eine Gefährdung der belebten Umwelt dar.
Bei Katalase handelt es sich um Enzym, dass das Zellgift Wasserstoffperoxid (H2O2) zu Wasser und Sauerstoff umwandelt. Es findet sich in beispielsweise in Leber und Kartoffeln. Gibt man H2O2 zu zerriebenen Kartoffeln, kommt es durch den bei der Reaktion 2 H2O2 → 2 H2O + O2 entstehenden Sauerstoff in Verbindung mit Proteinen der Kartoffeln zur Schaumbildung, die die Aktivität der Katalase anzeigt.
Relevanzanalyse
Die Rahmenrichtlinien sehen die experimentelle Erarbeitung von Enzymeigenschaften im Baustein „Realisation der genetischen Information“ der Vorstufe vor. Enzymhemmung ist im Kursstufenbaustein „Wirkung von Medikamenten und Drogen vorgesehen“.
Die überragende Bedeutung von Enzymen für letztlich alle Stoffwechselvorgänge begründet die Behandlung der Enzymhemmung als wichtiges Steuerungsinstrument. Kontrastierend zur reversiblen Hemmung kann daher auch die Hemmung durch Schwermetalle thematisiert werden, allerdings rechtfertigt sich dieses Thema hauptsächlich aus der hohen Gesellschafts- und Schülerrelevanz.
Die Umweltbelastung durch Schwermetalle wird die Gesellschaft in zunehmender Weise betreffen. Durch die Anreicherung von Schwermetallen in der Nahrungskette und weltweit steigenden Schwermetallemissionen bleibt das Thema aktuell. Für eine kompetente Teilnahme am Diskurs ist es wichtig, dass die Bürger nicht nur diffus über die Schädlichkeit von Schwermetallen informiert sind, sondern ein vertieftes Verständnis der Problematik aufweisen.
Für die Schüler selbst ist in ihrer Lebenswelt eine Vielzahl von Berührungspunkten vorhanden. Neben der Problematik von Amalgamfüllungen in Zähnen, Berichte in den Medien (bspw. über die Schwermetallbelastung von Seefisch) und die Entsorgung von Altbatterien spielen selbst Aspekte wie das Kauen an lackierten Stiften eine Rolle.
Schwerpunktsetzung und didaktische Konstruktion
Die Erlangung der Erkenntnis, dass Schwermetalle deshalb schädlich sind, weil sie Enzyme hemmen, bildet den Schwerpunkt in den ersten 30 Minuten. Daraufhin soll in einem zweiten Schwerpunkt die Irreversibilität der Hemmung näher beleuchtet werden.
Die Möglichkeit, die unterschiedliche Hemmung durch verschiedene Schwermetalle ins Zentrum der Stunde zu stellen, wird verworfen. So sind gerade die Schwermetalle, von denen die Schüler am ehesten gehört haben könnten (Blei, Quecksilber), nicht für Schülerversuche zugelassen. Zudem würde eine quantitative Bestimmung wenig zur Klärung der Inhalte des zweiten Schwerpunktes beitragen, der sich zudem nur schwerlich organisch anschließen ließe. Dennoch werden zwei verschiedene Schwermetalle untersucht, um eine Allgemeingültigkeit der zu beobachtenden Hemmung durch Schwermetalle ableiten zu können. Durch arbeitsteilige Gruppenarbeit entsteht lediglich ein geringer Mehraufwand in der Auswertungsphase.
Eine Überprüfung verschiedener Enzyme wäre mit einem deutlich größeren Zeitaufwand verbunden und ist daher nur für eine Doppelstunde geeignet. Auf Grund der sehr heterogenen Vorerfahrungen bieten sich in dieser Lerngruppe aber auch eher kürzere, überschaubarere Experimente an.
Der Katalaseversuch hat darüber hinaus den Vorteil auf Grund der in der letzen Stunde erworbenen Schülervorkenntnisse eigenständig planbar zu sein. So sollten theoretisch alle Schüler die gleiche Grundlagen für die Lösungsplanung II aufweisen und nicht nur die leistungsstärkeren Schüler. Überhaupt lassen sich durch die experimentelle Erarbeitung Schüler aktivieren, die durch eine theoretische Erarbeitung (etwa durch Interpretation abstrakter Graphen) überfordert wären.
Grundsätzlich soll der erste Schwerpunkt durch weit gehende Eigentätigkeit von Lösungsplanung I bis zur experimentellen Erarbeitung die Problemlöse- und Methodenkompetenz. der Schüler fördern.
Auf den zunächst nahe liegenden informierenden Einstieg durch den Lehrer oder etwa die Nutzung eines Zeitungsartikels, der die Gefahren von Schwermetallen darlegt, wird verzichtet. Er erfolgt stattdessen über eine Anweisung aus den Sicherheitsempfehlungen der Kultusministerkonferenz, die Lehrer dazu auffordert das „Stiftekauen“ bei Schülern zu unterbinden. Ich bin überzeugt, dass dieser Einstieg die Schüler stärker aktiviert, da er ohne eine Betroffenheit auslösende Problematisierung auskommt. Er spricht stattdessen die Schüler direkt an, da vermutlich jeder schon einmal auf einem Stift gekaut hat und nun überraschend auf nicht näher konkretisierte Gefahren (→ Problemfrage) hingewiesen wird. So führt der Einstieg direkt zur intendierten Fragestellung ohne weitergehende Diskussionen auszulösen. Eine Öffnung gegenüber verschiedenen Fragestellungen wird beim zweiten Stundenschwerpunkt ermöglicht.
Die Erkenntnis, dass Schwermetalle Enzyme hemmen, sagt wenig über den Mechanismus oder die Art der Hemmung aus. Es ergeben sich folglich verschiedene Fragestellungen und damit ein unterschiedlicher Unterrichtsverlauf.
Sollte die Frage gestellt werden, ob alle Schwermetalle auf alle Enzyme gleich wirken, erfolgt dazu ein kurzer Lehrervortrag, danach werden die Schüler aufgefordert weitere Fragen zu formulieren.
Den Schülern ist die Funktionsweise der kompetitiven Hemmung bekannt, die Frage ob es sich um bei der Hemmung durch Schwermetalle um eine derartige Hemmung handelt, können sie mit Hilfe einer Darstellung von Substratsumsatzrate in Abhängigkeit von Substratkonzentration (AT Schwermetallhemmkurve) klären. Die Deutung des Materials ergibt die Irreversibilität der Enzymhemmung. Die Entwicklung von Modell¬vorstellungen zur Funktion dieser Hemmung ist im Arbeitsmaterial angelegt. Wegen des hohen Abstraktionsgrad werden hier vornehmlich die leistungsstärkeren Schüler gefordert, durch methodische Entscheidungen, sollen aber auch hier schwächere Schüler eingebunden werden (siehe Methodik).
Sollten die Schüler dagegen zuerst klären wollen, wie genau das Enzym inaktiviert wird, sollen sie ein Modell entwickeln, das ihre Hypothesen zur Inaktivierung beinhaltet. Zwei alternative Modelle sind denkbar. Eine Blockierung des aktiven Zentrums kann mit dem AT Schwermetallhemmkurve bestätigt werden, die Irreversibilität ist aus dem Arbeits¬material ableitbar. Die mögliche Vorstellung der Zerstörung des Enzyms durch das Schwermetall, ohne dass es zu einer dauerhafteren Bindung kommt, kann durch die Interpretation des AT Enzymzugabe verneint werden. Die Schüler sind dann aufgefordert eine neue Modellvorstellung zu entwickeln, die wie oben mit dem AT Schwermetallhemmkurve bestätigt werden kann.
Lehrziele
Die Schüler sollen die hemmende Wirkung von Schwermetallen auf Enzyme erläutern können. Dazu sollen sie im Einzelnen
• sich über die Empfehlung der Kultusministerkonferenz wundern. (aff.)
• die Frage aufwerfen können, weshalb Schwermetalle giftig sind. (kogn.)
• auf Grund ihres Wissens um die Wichtigkeit der Enzyme für den Stoffwechsel vermuten können, dass die Enzyme durch Schwermetalle gehemmt werden. (kogn.)
• einen Versuch zum Nachweis einer möglichen Enzymhemmung durch Schwer¬metalle entwickeln können (kogn.) und
• ihn gemäß der Versuchsanweisung durchführen können (instr.)
• das Versuchsergebnis beschreiben können. (kogn.)
• das Versuchsergebnis deuten können, indem sie das Ausbleiben der Schaum¬entwicklung auf eine Hemmung der Katalase durch Schwermetalle zurückführen können. (kogn.)
Minimalziele ↑
• eine Modellvorstellung zur Hemmung durch Schwermetalle entwerfen können und
• diese an Hand von Daten aus Diagrammen überprüfen können und gegebenenfalls das Modell anpassen können. (kogn.)
• die Irreversibilität der Enzymhemmung durch Deutung eines Diagramms erklären können. (kogn.)
Überlegungen zur Methode
Der Einstieg erfolgt als stummer Impuls mittels eines Arbeitstransparentes, da so die Aufmerksamkeit vom Lehrer auf den projizierten Sachverhalt gelenkt wird. Diese Vorgehensweise sind die Schüler gewöhnt und sollte nicht zu Problemen führen. Einfache Hilfsimpulse wie „Ihr seid dran“ können bei starker Zurückhaltung (etwa ausgelöst durch die Situation vor Zuschauern unterrichtet zu werden) zur Aktivierung genutzt werden.
Die Schüler übergehen oftmals die Stellung der Problemfrage und bilden gleich Hypothesen, dem wird begegnet, indem die Schüler aufgefordert werden, zu überlegen, welche Fragestellung durch die Hypothesen impliziert wird.
Eine ideale Gruppengröße für die Durchführung des Experiments wären drei Schüler. Da sie in den bisherigen Unterrichtsstunden aber sehr gut in festen Viererteams gearbeitet haben und bei Experimenten zu beobachten war, dass sich alle Schüler intensiv am Experimentieren beteiligt haben, wird die Gruppengröße auf vier festgelegt, was auch den räumlichen Gegebenheiten Rechnung trägt.
Die experimentelle Erarbeitung von Enzymhemmung durch Schwermetalle ist mit vielen Enzymen und Nachweismethoden möglich. Die gewählte Methode zeichnet sich durch eine besonders einfache Durchführung aus. Die Ergebnisse sind durch die deutliche Schaumbildung sofort beobachtbar. Die Beobachtung des Entstehens des Schaums ist deutlich zugänglicher als beispielsweise die zur Kenntnisnahme eines Farbumschlags.
Im zweiten Stundenschwerpunkt geht es im Wesentlichen um die Interpretation von Diagrammen. Sprachliche Ungenauigkeiten erschweren hier oft die Kommunikation. Daher weisen die Diagramme im oberen Bereich Leerstellen auf, in denen die Verhältnisse an bestimmten Punkten des Graphen zeichnerisch dargestellt werden können. Durch die Leerstellen werden die Schüler aufgefordert ihre Vorstellungen zeichnerisch zu konkretisieren. Da die Interpretation abstrakter Graphen vielen Schülern Schwierigkeiten bereitet, wird hier bei ausreichend Zeit –gerade auch im Hinblick die Aktivierung schwächerer Schüler– eine Gruppenarbeitsphase eingeschoben, so dass die Schüler untereinander Lösungsmöglichkeiten diskutieren können und dann auch weniger leistungsstarke Schüler in der Lage sind, das Gruppenergebnis vorzutragen.
Hausaufgaben
Je nach erreichten Lernzielen und Stundenverlauf ergeben sich vier mögliche Hausaufgaben. Hausaufgabe eins (AB Schwermetallhemmkurve) kann zur Überprüfung des Modells eines blockierten Zentrums eingesetzt werden oder bei Erreichen des Minimalziels als Vorbereitung der kommenden Stunde genutzt werden. Hausaufgabe zwei (AB Enzymzugabe) ermöglicht die Überprüfung des anderen Modells, bei dem davon ausgegangen wird, dass das Schwermetallion nur die Enzyme zerstört, sich aber nicht bindet. Falls diese Überprüfung bereits im Unterricht geleistet werden konnte (und damit das Modell falsifiziert wurde), fordert Hausaufgabe 3 zur erneuten Modellbildung auf, die den bisher erarbeiteten Ergebnissen Rechnung trägt. Hausaufgabe 4 ist vorgesehen, wenn die irreversible Hemmung bereits im Unterricht erarbeitet werden konnte. Die Schüler sollen sich selbsttätig über die „Minamata-Krankheit“ informieren und damit in der nächsten Stunde die Thematisierung der Kumulation von Schwermetallen ermöglichen.